Gut fünf Wochen lang waren wir nicht mehr am Bodensee. Wie bereits früher erzählt, seien die Bedingungen aufgrund der anhaltenden Trockenheit und Dürre wenig einladend gewesen. Unser erster Besuch nach unserer Sommerpause fiel zufällig auch mit den ersten ergiebigen Niederschlägen nach der Trockenperiode zusammen. Doch alles der Reihe nach:
Mami musste mit der Schule den ganzen Tag vorbereiten. Die Familie, welche Biene an dem Tag besuchen wollte, fiel aufgrund einer plötzlich auftretenden Krankheit der gesamten Familie kurzfristig aus. Sie entschied sich, den Tag alleine zu Hause zu verbringen. Sie wollte spielen und Geschichten hören. Zum Mittag kam Mami kurz nach Hause und verpflegte die muntere Tochter mit einem genüsslichen Lunch. Für den Nachmittag war vereinbart, dass sie spielte und dann um halb vier mit dem Postauto nach Horgen fuhr, um da in den Zug nach Zürich umzusteigen. Sie hatte ja ein Mobiltelefon dabei, mit welchem die Kommunikation jederzeit möglich war und zudem schaffte sie das bereits früher problemlos. Als Steigerung war geplant, dass sie am Hauptbahnhof in die S-Bahn nach Romanshorn umsteigen würde und Papa beim ersten Halt zustieg. Kurz nachdem ihr Bus losgefahren war, wollte Papi nachfragen, wie es ihr gehe und ob alles gaklappt habe. Doch die Verbindung konnte auch nach mehreren Versuchen nicht aufgebaut werden, was sonderbar war, denn das Telefon war bis zu diesem Zeitpunkt den ganzen Tag lang eingeschaltet und Biene somit auch erreichbar.
Verunsichert stürzte Papa aus dem Büro und machte kurzerhand Planänderung. Anstatt wie vereinbart am Bahnhof Stadelhofen zu ihr in den Zug zuzusteigen, fuhr er zum Hauptbahnhof, in der Hoffnung die Tochter dort zu finden. Kaum aus dem Zug gestiegen und mit der Rolltreppe auf die Zwischenebene hochgefahren, machte er die Reisende bereits aus. Zielstrebig marschierte diese auf die Treppe zum Bahnsteig zu und begab sich auf den Bahnsteig. Wieder vereint machten sich die beiden mit der ursprünglich geplanten S23 auf in Richtung Bodensee. Die Angst war somit nicht ganz begründet. Auf die Frage, weshalb sie denn nicht erreichbar war, antwortete Biene locker: «Mami hat gesagt, ich müsse das Telefon ausschalten, wenn ich dieses nicht brauche. Ich brauchte es ja bis nach Zürich nicht und vorhin habe ich es wieder eingeschaltet.» In der Tat war das Telefon nun wieder an. Die Fahrt nach Zürich ist somit für sie kein Problem mehr.

Während des ganzen Tages regnete es in Strömen. Der Wetterdienst warnte nach der anhaltenden Trockenheit aufgrund der heftigen Niederschläge vor Überschwemmungen. In der Tat waren die Wasserpegel der überquerten Flüsse überall sehr hoch, wenn auch nicht allzu bedenklich. Die weitere Reise war problemlos und auch den letzten Abschnitt im Bus konnten wir beiden geniessen.
Am See angekommen liessen wir es uns nicht nehmen, einen kurzen Spaziergang ans Ufer zu unternehmen. Anhand markanter Punkte wie dem Ende einer Rampe oder einem im Wasser liegenden Balken, welcher deutlich aus den Wellen ragte, konnten wir uns den genauen Pegelstand merken. Mit Fotos dokumentierten wir den Zustand zusätzlich, sodass wir dies Mami zeigen konnten.

Am Samstag stiess unsere Lehrerin auch noch zu uns. Der Regen war weg und das Wetter zeigte sich von seiner Sonnenseite, schon fast, als ob nichts gewesen wäre. Nun wollten wir ihr das Ausmass der Dürre auch noch präsentieren und marschierten zum See. Nun staunten Vater und Tochter, während sich Mami fragte, was denn die Beiden gestern für einen Blödsinn erzählt hatten. Der Balken im Wasser lag deutlich unter der Wasseroberfläche und auch das Ende der Beton-Rampe wurde wieder gemütlich vom leichten Wellenschlag umspült. Erst nachdem wir die Fotos vom Vortag präsentierten, glaubte auch die Nachzüglerin, was wir ihr gestern erzählten. Ein Blick auf die offiziellen Bodensee Pegelstandsmessungen bestätigte unsere Feststellung: Der Seespiegel war in den vergangenen vierundzwanzig Stunden um mehr als fünfundzwanzig Zentimeter angestiegen – unglaublich, wozu die Natur fähig ist.