Im Flachland blieb es weiterhin heiss und stickig, während wir in den Bergen die kühlende Brise geniessen konnte. Hervorragende Voraussetzungen um unsere Lenkdrachen wieder einmal auszupacken und diese steigen zu lassen. Den geeigneten Ort dazu zu finden, war dann gar nicht so einfach, denn wir wollten dem Bergbauer sein Gras nicht niedertreten und trotzdem musste die Wiese möglichst optimal vom Wind angeströmt werden. Schon einige Tage vor dem ersten Flug begannen wir mit der Suche, wurden bisher jedoch nicht fündig. Doch dann schnitt ein Landwirt die drachentechnisch perfekte Wiese.
Tags darauf rollten wir das erste Flugobjekt aus. Nach einem etwas wackeligen Start war die alte Routine schnell wiederhergestellt und der kleine rote Flitzer zog herrliche Bahnen in den Nachmittagshimmel. Endlich war der Zeitpunkt gekommen und Biene durfte ihren neuen, blauen Drachen flugbereit machen. Die Schnüre waren schnell mittels Schiebeknoten angeschlagen und ausgerollt. Der Spass mit dem grossen Zweileiner konnte also losgehen. Und wie es losging. Das nur wenig grössere Tuch entwickelte herrlich Zug und die Viertklässlerin wurde mächtig gefordert. Eine etwas unbedachte Flugroute hatte unweigerlich sehr viel Zug zur Folge. Dass sie das schnell realisierte und auch diesen Kite schnell absolut unter Kontrolle hatte, bewies sie bereits wenige Minuten nach dem ersten Start. In wunderschönen Kreisen zog der Blaue seine Bahnen in den wolkenlosen Himmel, bevor es in der Powerzone mit viel Druck und Geschwindigkeit auf die andere Seite ging, nur um hier gekonnt in den Zenit aufzusteigen und das Spiel von vorne zu beginnen.





Die kleine Pilotin war beschäftigt und würde wohl erst nach dem Sonnenuntergang, oder wenn der Wind zu schwach wurde gestoppt werden. So wagten sich die beiden Grossen an ihr neues Spielzeug. Sie rollten ihren blau-roten Rush Kite, welcher mit Bar gelenkt wird, auf der Wiese aus. Einen ersten, eher weniger erfolgreichen Flug hatte dieses Gerät bereits hinter sich, doch heute wollten wir das Teil erstmals richtig ausprobieren. Ich bin mir vierleiner Kites gewohnt, bedingt durch die Lenkbar ist das Leinengewirr auch für mich anfangs recht verwirrend. Das Auslegen dauerte dann anfangs etwas länger. Einmal in der Luft, erwies sich dieser Drachen in der Tat als Drachen. Ein so bockiges Teil durfte ich noch selten lenken. Ich hatte meine wahre Mühe, das Teil überhaupt oben zu halten, geschweige denn kontrollierte Bahnen zu fliegen, viel mehr war es anfangs ein Kampf mit dem Lenken, das Teil ist so enorm anders zu fliegen als die Kites, welche mit den Handels gelenkt werden, dass ich einige Zeit benötigte, dies zu begreifen. Mit der Zeit kam es dann doch besser und ich konnte von Fliegen sprechen, während der Drachen das machte, was ich von diesem auch erwartete.
Meine Lernkurve war wohl weniger steil als diejenige unserer jüngsten Pilotin, welche immer noch unbeirrt ihren grossen, blauen Drachen ausführte. Zwischenzeitlich wechselte sie zwar wieder auf den etwas Kleineren, damit sie ihre Arme entlasten konnte, doch der Reiz des Neuen und Grösseren lockte doch immer wieder.
Nachdem unser Erwachsenendrachen eingeflogen war, stieg auch Mami in die Trapezhose und klinkte sich an den Trainerkite. Der Start ist geglückt und nun sollte das Gerät am Himmel bleiben. Das war gar nicht so einfach zu bewerkstelligen, denn der Drachen muss immer etwas in Bewegung bleiben, sonst wird dieser bei schwachen Winden, wie den aktuell vorherrschenden, extrem träge und ist kaum noch lenkbar. Nach einigem Üben funktionierte dies auch bei ihr ganz gut und die Flugzeiten wurden länger. Bald können wir uns ans saubere Landen und an den Rückwärtsstart machen. Dazu nutzen wir weitere herrliche Nachmittage auf unserer Drachenwiese.
Eines Tages herrschten knappe Winde und Papi packte seinen kleinen Leichtwind Trickdrachen aus. Auch dieser macht Spass, will jedoch ebenfalls permanent in Bewegung sein. Einmal im Stillstand, musste mit einem Absturz gerechnet werden. Unsere Tochter fand die Tricks (Rückwärts fliegen, Wenden auf der Stelle, Anhalten mitten im Flug, etc.) spannend und wollte natürlich auch an meinen Drachen. Dies war ihr erster Flugversuch mit einem Vierleier. Entsprechend wachsam beobachtete ich ihre ersten Kurven. Schnell war sie mit dem Umgang vertraut und begann ihrerseits zu üben. Die Erfolge stellten sich sehr schnell ein und auch unser Nachwuchspilot zeigte, was eine Neunjährige in kurzer Zeit erlernen kann. Es war eine grosse Freude, ihr beim Umgang mit dem doch anspruchsvollen Fluggerät zuzuschauen.
Die Begeisterung und Ausdauer der ganzen Familie war eines Abends so gross, dass wir die Uhr völlig aus den Augen verloren. Erst kurz vor Sonnenuntergang packten wir unsere Sachen zusammen und gönnten uns im nahegelegenen Restaurant ein feines Nachtessen.