Am dritten Tag unserer Tour sattelten wir wieder die Motorräder. Nach einem kurzen Halt beim Bäcker und lokalen Einkaufsladen machten wir uns auf in Richtung Ilanz und weiter nach Versam. Das kleine Dorf mit den sehr engen Gassen ist sehenswert. Vor allem der riesige, es heisst es sei der grösste hölzerne Dorfbrunnen, ist ein Halt wert. Daran vorbeigefahren sind wir schon öfters, doch beachtet haben wir diesen bisher nie. Also Augen auf.
Das hiess es dann auch für unsere Sozia. Sie hatte während der heutigen Reise zwei Hauptaufgaben: Ausschau halten nach kreuzenden Motorradfahrern, nicht Roller oder Mofa. Diese waren ganz nach Motorradfahrermanieren von ihr zu grüssen, was hervorragend klappte. Die zweite Aufgabe war insbesondere im späteren Tagesverlauf interessant. Biene durfte nach allen Ruinen und Burgen Ausschau halten, was sie ebenfalls hervorragend machte und uns jeweils frühzeitig auf weitere alte Prunkstücke in besserem und schlechterem Zustand aufmerksam machte.
Zuvor fuhren wir hoch über der Rheinschlucht in Richtung Bonaduz. Dabei ist das Anhalten mit dem Motorrad etwas einfacher als mit dem Auto. So machten wir einen tollen Halt, anlässlich dessen wir die herrliche Sicht über das am Vortag bewanderte Gebiet machen konnten. Das ist ein weiterer Vorteil, wenn mit dem Motorrad gereist wird. Auf der engen Strasse der Schlucht kamen wir nur langsam voran. Dies änderte sich, sobald die Rheinschlucht hinter uns lag und die Strassen übersichtlicher wurden.
Im Domleschg kurvten wir durch die romantischen Dörfchen und bewunderten den Charme der Gegend. Weiter ging es ins Albulatal. Schon wieder veränderte sich die Landschaft abrupt. Nach der Weite wurde es hier wieder eng. So eng, dass die RhB für das Bahntrasse immer wieder die Talseite wechseln muss. Der Halt beim Soliser Viadukt war auch für unsere Jüngste ein Erlebnis, vor allem nachdem sogar noch ein Zug über das imposante Bauwerk fuhr. Einziger Nachteil, die Motorradkleidung war etwas warm und der Helm umständlich auszuziehen, so dass es Biene schnell zu warm wurde und sie uns darum bat weiter zu fahren, denn der Fahrtwind sorgte an dem recht warmen Tag für eine angenehme Abkühlung.
In Cunter, kurz vor Savognin, machten wir Mittagsrast. Auf der Terrasse genossen wir eine herrliche Pizza, vielleicht nicht ganz die lokale Spezialität, aber genauso willkommen. Weiter ging es zum Marmoreasee, ein wunderbares Beispiel, wie riesig eine Staumauer ist, denn hier kann direkt auf der Mauer angehalten werden.
Unsere Fahrt führte uns weiter hoch zum Julierpass. Unsere Tochter hatte ihren Riesenspass und genoss jede einzelne Serpentine aufs Neue – von wegen Kinder mögen keine Kurven. Auf der Passhöhe machten wir erneut kurz Rast. Das imposante Bauwerk steht noch nicht sehr lange hier oben, zumindest haben wir dieses bisher noch nie gesehen – immer mal was Neues.
Die Abfahrt ins Tal war kurz. Auf dem Silvaplanasee herrschte Hochbetrieb. Die Surfer, Segler und Kitesurfer tummelten sich, was vor allem unsere Beifahrerin richtig geniessen konnte. Wir fuhren weiter via St. Moritz und Pontresina.
Ursprünglich hätten wir einen Fussmarsch zum Morteratsch-Gletscher geplant, doch es war recht warm und in den Biker-Klamotten wäre dies eine richtig schweisstreibende Angelegenheit geworden. So betrachteten wir die schwindende Sehenswürdigkeit von der Strasse her. Für Fotos stand die Sonne so schlecht, dass wir dies gleich bleiben liessen. Den geplanten Halt holten wir dann wenige Minuten später auf der Bernina Passhöhe nach. Oh, ein See, da muss ich eine Hand rein halten. Buh, der ist ja richtig kalt. An der Sonne genossen wir die herrliche Aussicht auf die Berg- und Gletscherwelt. Der Blick glitt immer wieder zur Wetter App auf dem Mobiltelefon, denn es war ein für uns noch nicht ersichtliches Gewitter im Anzug. So beendeten wir den Stopp und machten uns Richtung Poschiavo weiter.
Schon nach wenigen Kehren folgte die Abzweigung nach Livigno. Diese mussten wir gemäss Beschreibung links liegenlassen. Ab hier sollten wir genau Ausschau halten und bei der ersten Alp abfahren. Schon von Weitem machten wir das blaue Auto aus, welches das eindeutige Indiz für unser Ziel war. Kaum hatten wir den Blinker gesetzt, sprang auch schon unser Gastgeber auf und wies uns gekonnt ein. Endlich durften unsere Reiseenduros einmal auf Naturstrassen fahren, was diese erwartungsgemäss ebenso mit Bravur meisterten.
Die Alp ist ein Traum. Die herrliche Lage mit wunderbarer Sicht in alle Richtungen sucht seinesgleichen. Die Räume des alten Säumerhauses sind riesig und die Einrichtung sehr geschmackvoll. Der bewusste Verzicht auf Elektrizität unterstreicht das gemütliche Ambiente zusätzlich. Wir fühlten uns auf Anhieb sehr wohl. Unsere Tochter stromerte umher und erkundete sofort das ganze Anwesen. Nach einem sehr gemütlichen, gemeinsamen Abend schlüpften wir äusserst zufrieden unter die wohlig warmen Decken und schlummerten in den neuen Tag.